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Neue Notizen zur Dreigliederung des sozialen Organismus veröffentlicht

Neue Notizbücher und Notizzettel mit Notizen Rudolf Steiners zur Dreigliederung des sozialen Organismus in der GA-online

(Der Zugang zu den edierten Notizbüchern und Notizzetteln Rudolf Steiners erfolgt über die Plattform der GA-Online)

Den Schwerpunkt innerhalb der fünften Lieferung edierter Notizbücher und Notizzettel bildeten Notizen Rudolf Steiners zur Dreigliederung des sozialen Organismus: Vorbereitet ab Ende 1918, begann im Februar 1919 die öffentliche Aktivität Steiners auf sozialem Gebiet, einhergehend mit der Ausweitung der Geisteswissenschaft auf zahlreiche Lebensgebiete. Von diesen Vorgängen zeugen die zahlreichen Notizen zu Fachkursen für verschiedenste Gruppierungen, zu Vorträgen über soziale Dreigliederung und Diskussionsveranstaltungen z.B. zu Arbeiterbewegung und Betriebsrätefrage oder den Aufbau der Freien Waldorfschule.  

Bereits 1905 hielt Rudolf Steiner Vorträge über die soziale Frage und verfasste eine Aufsatzreihe zum Thema. Er fand damit nur wenig Resonanz, bis 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, ein Mitglied mit politischen Verbindungen an ihn herantrat mit der Frage nach einem Ausweg aus der verfahrenen Kriegssituation. Nun konnte er die in der Zwischenzeit in ihm gereifte Idee einer sozialen Neuordnung in den Memoranden von 1917 entwickeln: Der einheitliche Staat sollte aufgegliedert werden in drei Gebiete: das Rechtsleben (der eigentliche Staat), das Wirtschaftsleben und das Geistesleben (Kultur, Erziehung), die sich alle selbst verwalten sollten. In den Verflechtungen des Staates mit der Wirtschaft, in der Überproduktion, von ihm als ‹soziales Karzinom›[1] charakterisiert, sowie der Unterdrückung der Kultur der nationalen Minderheiten sah er wesentliche Kriegsursachen, denen er durch die Dreigliederung des sozialen Organismus beizukommen hoffte. Auch diesem Versuch war jedoch kein Erfolg beschieden, da die beigezogenen Politiker sich nicht dafür erwärmen konnten bzw. den Mut nicht aufbrachten, die von ihnen als richtig erkannte Idee auch zu vertreten. Ein Jahr später, im November 1918, als die Novemberrevolution in Deutschland ausbrach, wurde Rudolf Steiner erneut um Rat gefragt, als er in Mitgliedervorträgen erneut die Dreigliederungsidee entwickelte. Aus dieser Zeit sind nun u.a. die beiden Notizbücher NB 101 und NB 279 publiziert worden. Nach Beratungen im Januar 1919 verfasste er den Text, der als Aufruf «An das deutsche Volk und an die Kulturwelt!» ab März 1919 in zahlreichen Zeitungen mit über 300 Unterschriften veröffentlicht wurde. Mit den im Februar 1919 in Zürich abgehaltenen öffentlichen Vorträgen über Die Soziale Frage (GA 328), die anschließend in das im April 1919 herausgekommene Buch Die Kernpunkte der sozialen Frage (GA 23) mündeten, wurde die Dreigliederungsbewegung lanciert; Notizen dazu finden sich in NB 97. Besonders im Stuttgarter Raum breitete sich diese zunächst aus – siehe etwa NB 102 und NB 106 –, jedoch wurde der Widerstand der etablierten Parteien immer größer, sodass Steiner seine aktive Mitwirkung in der Dreigliederungsbewegung zunächst reduzierte und schließlich sogar ganz beendete, um sich auf andere Aufgaben konzentrieren zu können. Darunter fielen der Aufbau der Freien Waldorfschule in Stuttgart ab September 1919, die Hochschul- und Fachkurse für einzelne Lebensgebiete und ab 1920 die ökonomischen Unternehmungen Der Kommende Tag und Futurum AG. Alle diese Initiativen fanden ihren Niederschlag in zahlreichen Notizbüchern und Notizzetteln, von denen in der im Herbst 2024 erfolgten Lieferung nur ein Teil präsentiert werden konnte, so dass es auch in zukünftigen Publikationen noch viel Materialien zu dieser umtriebigen Phase in Steiners Leben und Werk zu entdecken geben wird.

Andrea Leubin, Monika Philippi


[1] Vortrag vom 4. April 1914 in Wien, in: Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt, GA 153, S. 174; diese Stelle wird von Rudolf Steiner in späteren Vorträgen immer wieder zitiert.