Der anthroposophische Seelenkalender ist im Kontext eines Kalendariums auf das Jahr 1912/13 entstanden. Die Initiative ging von der Baronin Imme von Eckhardtstein (1871–1930) aus. Während eines mit Rudolf Steiner und Marie von Sivers an der Adriaküste verbrachten Erholungsaufenthalts im Frühjahr 1911 beschäftigte sich die Künstlerin intensiv mit Tierkreisbildern. Rudolf Steiner gab ihr Tipps, wie sie sich in die Sternbilder und deren Kräftewirkung einleben könne, und machte einige Skizzen zur Darstellung. Bei diesen Gesprächen kam auch die Idee eines Kalendariums auf, das nach anthroposophischen Gesichtspunkten gestaltet wäre. Für den geplanten Kalender stellte Rudolf Steiner das Namenskalendarium mit Heiligen und historischen Persönlichkeiten zusammen, während Imme von Eckhardtstein Abbildungen schuf. Als Zusatz zu diesem Jahrweiser verfasste Steiner, wohl im darauffolgenden Winter und in München, meditative Sprüche, die dem jahreszeitlichen Wechsel folgend das aktive seelische Erleben anregen. Ostern 1912 erschienen die 52 Wochensprüche des Seelenkalenders unter diesem Titel im Anschluss an das Kalendarium; sie nahmen darin gerade mal zwanzig Seiten ein.
Wiewohl ursprünglich beabsichtigt wurde die Herausgabe eines Kalendariums in den Folgejahren nicht weitergeführt. Die Wochensprüche des Seelenkalenders jedoch, die auf reges Interesse stießen, erschienen gegen Ende des Ersten Weltkriegs in gleich zwei neuen Ausgaben. Zunächst in einer Reihe kleiner farbiger Heftchen, welche die Waldorf-Astoria Cigarettenfabrik ihren Zigarettenschachteln beilegte. Sie waren als «geistige Anregung» für die Soldaten im Feld gedacht. Ebenfalls 1918 und fast zeitgleich wurde der Seelenkalender im Rahmen einer Textsammlung abgedruckt, die Rudolf Steiner unter dem Titel Durch den Geist zur Wirklichkeits-Erkenntnis der Menschenrätsel zunächst für die von Hermann Hesse herausgegebene Bücherei für deutsche Kriegsgefangene zusammengestellt hat und die dann von Helene Röchling finanziert wurde.
Anfang 1925 erschien im Philosophisch-Anthroposophischen Verlag eine weitere Neuausgabe des Seelenkalenders, nun erstmals unter dem Titel Anthroposophischer Seelenkalender. Rudolf Steiner konnte selbst noch den Umschlag dazu entwerfen – «lauter schöne fünfzackige Sterne», wie die Verlagsverantwortliche Johanna Mücke an Marie Steiner berichtete. Auch das Format und die Schrift, in der der Kalender mit nur mehr einem Spruch pro Seite erscheinen sollte, legte er fest. Diese Ausgabe letzter Hand lag wenige Tage nach Steiners Tod gedruckt vor. Ihr Aussehen bestimmt die Form, in welcher der Anthroposophische Seelenkalender noch heute erscheint.
Rudolf Steiner legte seinen Zuhörern die Sprüche immer wieder ans Herz: Man könne viel erreichen, wenn man sie meditiere. Und 1918/19, als er begann Gruppenformen für die eurythmische Darstellung zu entwickeln, gehörten die Wochensprüche zu den ersten Texten, für die Steiner Raumchoreografien schuf. Beginnend mit dem 35. Spruch «Kann ich das Sein erkennen» entstanden regelmäßig Eurythmieformen zu den einzelnen Wochensprüchen des Seelenkalenders. Heute gibt es verschiedene Zugangsmöglichkeiten zum Seelenkalender und entsprechende Übungswege, auch vertont wurden die Wochensprüche bereits.
Die 52 Wochensprüche des Anthroposophischen Seelenkalenders erlauben das seelische Miterleben des Jahreslaufs in seinen verschiedenen Dimensionen und beziehen sich dabei in vielschichtiger Weise aufeinander. Die komplexe Komposition verschränkt das dem Sonnenlauf folgende Naturjahr mit seinen Jahreszeiten und Vegetationsperioden, dem Ein- und Ausatmen der Natur, mit dem christologischen Jahr und dem diesem zugehörigen Festkreis von Weihnachten, Ostern und Pfingsten, der unserem Seelenleben einen Rhythmus gibt.
Da der Jahreslauf der Wochensprüche mit dem Ostertermin beginnt, verschiebt sich die Zuordnung der Sprüche von Jahr zu Jahr. Dies fiel bereits im ersten Jahr auf, weil der Ostertermin 1913 früher lag als der des Vorjahrs und sich so ein Seelenkalender-Jahr mit nur 50 Wochen ergab. Eine ähnliche Verschiebung entstand dort, wo im Erstdruck bestimmte Sprüche – wie jener der Weihnachtswoche –mit einer Festesstimmung überschrieben waren, die in dieser Zuordnung nur für das Jahr 1912/13 mit dem Jahreslauf übereinstimmten. Rudolf Steiner maß diesen Verschiebungen keine Bedeutung bei, da er, wie er betonte, immer drei Wochensprüche in derselben Stimmung gehalten habe. Die Angaben zu den Sprüchen auch in «Johannes-» und «Michaeli-Stimmung» wurden in den folgenden Ausgaben einfach weggelassen. Strukturierend eingefügt wurde jedoch in der Ausgabe letzter Hand entsprechend der für das Jahr 1925 geltenden Daten die Angabe der vier Jahreszeiten: Frühling (vor dem 1. Spruch), Sommer (vor dem 11. Spruch, mithin zum 21. Juni), Herbst (vor dem 25. Spruch) und Winter (vor dem 37. Spruch). Für eine Beschäftigung mit dem Seelenkalender auf der Südhalbkugel sind die Sprüche gemäß des dortigen Jahreszeiten-Rhythmus mit einer Verschiebung um ein halbes Jahr «anzuwenden», also «umzudrehen», wie Rudolf Steiner auf entsprechende Nachfrage formulierte.
Nana Badenberg im Februar 2018
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